Geschichte der persischen Teppichknüpfkunst

(Auszüge und Abbildungen z.T. aus dem Buch „Der Persische Teppich“, E. Gans-Ruedin, Prestel-Verlag München, 1978)

 

„Das Teppichknüpfen ist eine Kunst, die sich schrittweise über Jahrtausenden im Rhythmus einer uralten Kultur fortentwickelt und von den Achämeniden bis in unsere Zeit einzigartige und köstliche Beispiele hinterlassen hat, die von hohem Kunstsinn und großer Fertigkeit zeugen. (…) Die Technik der Knüpfer und das subtile Vorstellungsvermögen der Kartonzeichner haben ein schöpferisch so reiches Ergebnis erbracht, dass der Iran zu allen in der Geschichte des Knüpfteppichs wichtigen Zeiten eine Vorrangstellung eingenommen hat.“

 

(Farah Pahlavi)

 

„Der Teppich begleitet einen Iraner wie sein Schatten“ stellten die beiden Reisenden P.A. Olivier und Théophile Gautier 1796 fest. Auch sie nahmen, wie in Persien üblich, immer einen Teppich mit, der ihnen während der Rast in den Karawansereien als Unterlage diente.

 

Doch bereits Firdusi, der große iranische Epiker (941 – 1021), besingt die alten Teppiche und vergleicht sie mit dem schillernden Gefieder eines Pfaus.  In seinem „Buch der Könige“ erzählt er, dass die Teppiche in den Innenräumen der Häuser, in denen es kaum Möbel gab, die Fensterläden ersetzten, auf Fußböden lagen, Matratzen, Kissen, Diwane bedeckten und Sänften mit ihnen ausgelegt waren. Auch bei großen Empfängen breitete man Teppiche in den Gärten aus und zu den am meisten geschätzten Geschenken gehörte der Teppich.

 

Wann genau die Entwicklung des Teppichknüpfens begann, weiß niemand. Schon viele Jahrhunderte v. Chr. wurde diese Tradition mit ihren Mustern und Farben, in den diversen Regionen des Landes sehr unterschiedlich ausfallend, von Generation zu Generation weiter gegeben. Die weiche Schafwolle wird zu Garn gesponnen, mit natürlichen Pflanzenfarben gefärbt und auf hölzernen Knüpfrahmen, die in der Regel mit Baumwollfäden bespannt sind, zu einem Teppich verarbeitet. Dabei wird nach jeder Knüpfreihe wenigstens ein Schussfaden durchgeführt, durch den der Teppich eine dichtere Struktur und mehr Stabilität erhält.

(Färben von Wollen in einer Teppichmanufaktur)

 

Bezüglich der Knüpfrahmen unterscheidet man zwischen dem horizontalen und dem vertikalen. 

(Arbeiten am horizontalen Knüpfrahmen)

 

 

 

 

 

 

Vor allem die Nomadenstämme benutzten den flach am Boden liegenden Holzrahmen, den sie gut transportieren konnten. Aber auch heute noch ist er in den Dörfern gebräuchlich.

 

Der aufrechte Knüpfrahmen ermöglicht ein wesentlich angenehmeres Arbeiten, da man vor ihm sitzen kann. Er wird in diversen Größen in den Teppichmanufakturen genutzt, in privaten Haushalten vor allem in den Wintermonaten.

(Arbeiten am vertikalen Knüpfrahmen)

 


 

 

Bei der Knüpftechnik unterscheidet man zwischen dem Türkischen Knoten, auch „Gördesknoten“ genannt und dem Persischen Knoten, dem so genannten „Sennehknoten“.

Der älteste erhaltene Perserteppich wurde 1942 von russischen Archäologen im Altai-Gebirge an der Grenze zur äußeren Mongolei gefunden. Er lag in einem skythischen Fürstengrab in Pazyryk-Tal, nach dem er dann benannt wurde. Untersuchungen datieren den 200 x 180 cm großen Teppich in das 5. bzw. 4. Jh. v. Chr. Seine Dichte, 3.600 Knoten pro qm, die Technik des Gördesknoten sowie die detaillierten Motive und Muster lassen bereits auf eine langjährige Knüpftradition schließen. Der Stil des Teppichdesigns gilt als persisch-achämenidisch.

 

Weitere ältere Fundstücke, die man in das 3. bis 5. Jh. n. Chr. datiert, stammen aus Turkestan. Die Turkmenen-Teppiche unterteilt man heute in iranische Turkmenen-Teppiche und russisch-turkestanische Teppiche. Die Muster beider Teppichgruppen unterscheiden sich nur geringfügig. Sie besitzen noch Elemente der alten Symbolsprache, z.B. S-förmige Motive in heller Färbung als Symbol für Weisheit und Licht, wie die nächste Abbildung zeigt.

(Jomut Teppich, 1894 - 161 x 94 cm - 504.000 Knoten pro qm -

Türkische Knüpfung - Kette und Schuß aus Ziegenhaar, Flor aus Wolle)

 

 

Bei den Turkmenen-Teppichen unterscheidet man fünf Typen: Arbeiten der Volksstämme der Aghkali, Gharawalli, Jomuten, Nokhali und Teke.

 

Aus schriftlichen Quellen weiß man, dass bereits die Sassaniden über eine weit fortgeschrittene Teppichkunst verfügten. Fürstliche Teppiche waren aus feinster Seide gearbeitet, mit Gold- und Silberfäden durchwirkt und sogar mit Edelsteinen verziert. Ein solches Beispiel war der legendäre Baharestan-Teppich (= Frühlingsland) aus dem 6. Jh. Er wurde nie gefunden und es wird vermutet, dass er als Kriegsbeute aufgeteilt und zerstört wurde, als der Sassanidenpalast Taq-i-Kisra in Ktesiphon, in dessen Thronsaal er lag, 637 von den Arabern erobert wurde.

 

Auch aus timuridischer Zeit (1370-1506) haben sich keine Originale erhalten. Jedoch gibt es detaillierte Darstellungen als Abbildungen in der Miniaturmalerei, die sehr aufschlussreich sind.

Im 16. Jh. unter der Dynastie der Safawiden, deren Herrscher bis 1736 regierten, erlebte die Teppichknüpfkunst ihr „Goldenes Zeitalter“. Zunächst war es Schah Tahmasp, der selbst Malerei studiert hatte und Teppichmuster entwarf. In seine Regierungszeit, 1524-1576, fällt die Herstellung des so genannten Ardebil-Teppichs.

(Ardebil-Teppich)

 

Dieser Teppich stammt aus der Moschee von Ardebil, einem schiitischen Wallfahrtsheiligtum in Nordpersien und wird auch der „Heilige Teppich“ genannt. Er gehört mit seinen riesigen Ausmaßen, 1152 x 534 cm, sowie der Feinheit der Knüpfung, 517.500 Knoten pro qm, zu den Meisterwerken der persischen Teppichkunst.

 

Der Teppich zählt zur Gruppe der Medaillon-Teppiche. Sein Dekor ist ein Hauptfeld und eine rahmende Bordüre gegliedert. Das Innenfeld füllt ein vielschichtiges, mit Blüten besetztes Rankensystem auf dunkelblauem Grund. Darauf liegt im Zentrum ein gelbgrundiges Medaillon mit 16 Zacken, an die jeweils kleine Ovalmedaillons in unterschiedlicher Grundfarbe angefügt sind. Jeweils an vier Ketten hängen in der Längsachse zwei große Moscheeampeln von einem der Ovalmedaillons herab. Sie lassen erkennen, dass der Teppich zu sakralem Gebrauch bestimmt war.

 

Am oberen Feldrand befindet sich eine Kartusche. Diese ist mit zwei Versen des im 14. Jh. lebenden persischen Dichters Hafis besetzt: „Außer an deiner Schwelle gibt es für mich keinen Zufluchtsort auf dieser Welt. Außer an dieser Pforte gibt es keinen Ort für mich, wo mein Haupt in Geborgenheit ruhen könnte.“

Daneben liest man die Signatur: „Angefertigt vom Diener der Schwelle, Maqsud Kashani, im Jahre 946.“

Das Datum entspricht dem Jahr 1539 der christlichen Zeitrechnung. Die Inschrift lässt vermuten, dass Maqsud der Meister der Werkstatt in Kashan war, bei dem es sich um ein bedeutendes Teppichknüpfzentrum handelt.

 

Heute befindet sich dieser wunderschöne Teppich im Victoria and Albert Museum in London. Ein ganz ähnlicher, doch kleinerer Teppich ist in Los Angeles County Museum of Art ausgestellt.

 

Nicht nur die Paläste prunkten bald im Schmuck herrlicher Wandbehänge und Teppiche. Aus dem Gebrauchsgegenstand wurde ein Prestigeprojekt. Die Teppichmuster wurden der Miniaturmalerei sowie der Kalligraphie entnommen. Es entstanden freie, religiös ungebundene, geometrische, florale und faunale Gestaltungen in unendlicher Vielfalt. In nachsawafidischer Zeit bildeten sich mehr und mehr Herstellungszentren heraus. So entwickelten sich unverwechselbare Charakteristika beim Teppichdekor für die verschiedenen Städte Persiens. Noch heute sind Täbriz, Isfahan, Kerman, Kashan, Mashhad, Qom, Nain u.a. wichtige Nomadenstämme, die häufig nach ihren Umschlagmärkten benannt werden. Sie sind rustikaler gearbeitet, aber auch sehr ausdrucksvoll und farbenfroh.

 

Die Gegend um Isfahan blickt auf eine lange Teppichtradition zurück. Im 17. Jh., unter Schah Abbas dem Großen, zählten Isfahan-Teppiche zu den schönsten überhaupt. Der Afghaneneinfall im 18. Jh. bedeutete das Ende dieser Produktion, die erst wieder am Anfang des 20. Jh. aufgenommen wurde. Die heutigen Isfahan-Teppiche zählen zu den besten des Landes. Sie zeichnen sich durch ihre außerordentliche Feinheit, ein gut gegliedertes Muster sowie eine harmonisch abgestimmte Farbskala aus.

Dieser sehr feine Isfahan-Teppich wurde 1970 für den Heiligen Bezirk von Meschhed geknüpft und befindet sich dort im Museum. Pro qm zählt man 1.100.000 Knoten. In Medaillons sind die sieben heiligen Stätten der Muslime dargestellt: Mekka, Medina, Kerbela usw.

 

Unten im Feld erkennt man von links nach rechts Isfahan, die Schah-Moschee, die Mausoleen der Dichter Firdusi, Hafis und Saadi sowie die Stadt Qom. Engel mit Flügeln bilden die Motive dazwischen. In schmalen Borten zu beiden Seiten der Bordüre stehen im oberen Teil des Teppichs Koransuren. Dieser Teppich bezeugt das außergewöhnliche Können der Teppichknüpfer Isfahans.

Täbriz, die Hauptstadt der sehr fruchtbaren Provinz Aserbeidschan im Norden Irans, zählt ebenfalls zu den bedeutendsten Teppichherstellungszentren des Landes. Das Gebiet hat ein für die Schafzucht besonders günstiges Klima. Die ausgezeichnete Qualität der Wolle bürgt für die Haltbarkeit der hier hergestellten Teppiche.

 

Täbriz wurde erstmals als ein blühender, wohlhabender Ort von einem arabischen Reisenden beschrieben, der die Stadt im 10. Jh. besuchte. Der Täbriz-Knüpfstuhl stammt aus dieser Stadt. Er ist billig, leicht zu handhaben und in Mitteliran weit verbreitet. Bei diesem Stuhl werden die Kettfäden um den ganzen Rahmen gespannt, so dass zwei zusammenhängende Fadenflächen entstehen; eine vor, die andere hinter den Querbalken. Das genknüpfte Teppichstück wird vorne herunter- und auf der Rückseite heraufgezogen. Möglich ist bei diesem System die Anfertigung von Stücken, die der doppelten Höhe des Rahmens entsprechen. Die Handwerker von Täbriz verwendeten beim Knüpfen ein spezielles Häkchen, mit dem sie den Knoten seht geschickt und besonders schnell schlingen können. Auch heute gibt es in Täbriz mehrere Teppichmanufakturen, in denen sehr schöne Stücke geknüpft werden, die zu den besten überhaupt zählen.

 

Hadschi Dschalili ist der Name eines berühmten Teppichknüpfers aus Marand, einer kleinen Stadt in der Nähe von Täbriz. Alle aus seiner Werkstadt stammenden Teppiche tragen seine Signatur. Er lebte im 19. Jh

- Täbriz - Hadschi Dschalili - Ende 19. Jh. - 186 x 130 cm - 567.000 Knoten pro qm - Seide -

 

Der Mihrabbogen dieses schönen Gebetsteppichs wird von zwei graziösen Säulen getragen. An einer Kette hängt von der Spitze des Bogens eine blumenverzierte Lampe herab. Darunter steht ein Blumenbouquet. Die Querfelder ober- und unterhalb der Gebetsnische sind in kleine, bogenförmig zulaufende Felder unterteilt. Diese sind mit Blütengirlanden und Arabesken geschmückt. Acht Bordürenstreifen, sieben schmale und ein breiter, umrahmen den Mihrad. Alle sind mit floralen Motiven gefüllt.